Stuttgart 21 und die Volksabstimmung

Floyd 5 Kommentare Polit(r)i(c)k

Nachdem mich die letzten Tage diverseste Menschen gefragt haben, wie ich die Arbeit der noch nicht gesicherten grün-roten Koalition finde versuche ich meine Gedanken hier festzuhalten. Dieser Artikel dient auch mir immer wieder als Erinnerung. Vorausschicken möchte ich, dass Politik in meinen Augen die meiste Zeit am Volk vorbeiregiert, ganz unabhängig von der Couleur einer Partei. Aber natürlich beobachte ich genau was gerade passiert.

Krux mit Hauptbahnhof Stuttgart 21

Was ist denn nun mit dieser Volksabstimmung?

Um es mal in der Stuttgart 21 Werbersprache zu formulieren:

Es stimmt, dass sowohl Grüne als auch die SPD mit „Volksabstimmung“ Plakaten im Wahlkampf um Wählerstimmen buhlten.

Es stimmt aber auch, dass die von Grube persönlich festgesetzte Sollbruchstelle für Stuttgart 21 bei 4,53 Milliarden Euro liegt.

Was habe ich vergessen? Aufmerksame Leser wissen es. Die komplette Aussage vom 8. November 2009 müsste lauten:

Bahnchef Rüdiger Grube gibt die „Sollbruchstelle“ für Stuttgart 21 mit 4,53 Milliarden Euro an. Werde diese Grenze überschritten, müssten die Projektträger erneut über die Finanzierung sprechen.

Jetzt mal ganz langsam meine lieben Bahn,- und Politikfreunde.

Reden wo es nichts zu reden gibt

Für was gibt es eine Kosten-Nutzen Rechnung für dieses Projekt, wenn man bei einer Steigerung über die weitere Finanzierung sprechen möchte? Gibt es also gar keine Sollbruchstelle, oder ist es lediglich die finanzielle Sollbruchstelle der Bahn? Wem gehört sie denn nun, diese Sollbruchstelle? Bahn, Land, Bund, Stadt, allen? Vorausgesetzt diese genannte Sollbruchstelle bezieht sich auf den Kosten-Nutzen Faktor bedarf es keiner weiteren Finanzierungsgespräche. Wer ist bereit ein unwirtschaftliches Projekt weiter zu finanzieren, neue Mittel dafür freizusetzen?

Herr Nils Schmid vielleicht? Ach ne, der möchte ja die Bürger abstimmen lassen, unabhängig davon ob das Projekt auch „etwas“ teurer werden darf, oder? Der Herr Kretschmann vielleicht? Auch nicht. Ja wer bleibt denn da noch übrig? Die Bahn! Hey, das ist eine tolle Logik des Herrn Schmid. „Die Bahn hat uns einen funktionierenden Bahnknoten versprochen. Sollte das Projekt teurer werden ist es Aufgabe der Bahn, die Mehrkosten aufzubringen.“ Wow, das muss ich erstmal sacken lassen. Das ist die Lösung. Die Bahn wird freiwillig alle Mehrkosten tragen. Grün-rot zerfleischt sich geradezu am Thema Stuttgart 21. Und nein, da werde ich nicht abwarten und meine Meinung zurückhalten.

Der Sinn eines Kosten-Nutzen Faktors

Für was gibt es eine Wirtschaftlichkeitsberechnung dieses Projektes? Wird anhand dessen wirklich der Kosten-Nutzen Faktor errechnet oder ist es doch nur eine „Weiterbauen auf Teufel komm raus“ Berechnung? Die Frage ist natürlich auch, was alles in diesen Kosten-Nutzen Faktor einfliesst. Frei nach dem Motto „Hey, jetzt haben wir schon so viel Geld in dieses Projekt gesteckt, da können wir nie mehr zurück? Da kommt es für alle günstiger nochmals 1-2 Milliärdchen on top zu finanzieren?“

Von den politischen Befürwortern kam immer eine Verneinung zu der Aussage „Stuttgart 21 sei ein städtebauliches Projekt“. Frau Gönner antwortet auf eine Frage zum Kosten-Nutzen Faktor unter anderem mit dieser Aussage:

Dazu treten erhebliche bauzeitliche Effekte, weitere hohe Wertschöpfungssteigerungen durch die städtebaulichen Effekte in Stuttgart sowie eine Steigerung des Immobilienvermögens in Baden-Württemberg.

Aber nein, um Gottes Willen, der Städtebau hat damit wirklich rein gar nichts zu tun. Wir müssen ja bauen, weil wir 111.000.000 zusätzliche Arbeitsplätze durch die NBS und den Bahnhof erwarten. Irgendwo müssen diese Menschen ja wohnen. Ist klar.

Aber soll ich euch was verraten? Pssst. Kommt mal ein Stück näher. Der Stresstest wird natürlich positiv ausfallen und die Kosten von 4,53 Milliarden Euro auf keinen Fall überschritten werden. Ehrlich. Das sagt mir mein visionäres Gehör, das sich auf Spatzen spezialisiert hat. Stuttgart 21 wird diesen Stresstest mit Glanz und Gloria bestehen, ganz egal, was da am Ende in unserem Stuttgart stehen wird.

Warum der Stresstest positiv verlaufen wird

Sicherlich gibt es da einige Tricks, die man anwenden kann. Ok, wir brauchen 10 Gleise? Kein Problem. Wie können wir Mehrkosten verhindern? Einsparpotentiale gibt es viele. Zum Beispiel die Vergabe unterschiedlicher Aufträge an Unternehmen, die günstiger arbeiten als Unternehmen dies in Deutschland jemals könnten. Bisher suchten sich deutsche Unternehmer in den meisten Fällen so oder so Subunternehmer, die günstiger arbeiten. Dieser Umstand macht mir dann doch etwas Angst. Mit welchen Baumaterialien wird der zehnte Subunternehmer arbeiten? Dies ist nur eine mögliche Variante um Kosten zu sparen. Natürlich könnte man auch Aufträge an weitere künftige Aufträge koppeln, gegenrechnen und beim nächsten Auftrag „etwas“ mehr bezahlen als bei Stuttgart 21. Tricks gibt es wahrscheinlich unendlich viele. Auf jeden Fall wird die Bahn sich nicht die Blöße geben einen negativen Stresstest abzuliefern.

Und jetzt entscheidest du – Volksabstimmung!

Über was sollte ich denn bitte abstimmen? Über Mehrkosten, die von Stadt und Land getragen werden sollten oder nicht? Landesweit oder in Stuttgart? Über Stuttgart 21 würde nur Stuttgart abstimmen, über die Neubaustrecke das ganze Land Baden-Württemberg? Oder ist NBS und Stuttgart 21 ein einziges Projekt? Wenn ja, warum werden dann die Kosten auf der Webseite des Projekts getrennt behandelt? Macht sich ja auch schön, nicht die Gesamtsumme zu lesen, oder? Ne, ne, das Projekt Stuttgart 21, und damit meine ich den Bahnhof in Stuttgart, ist ab 4,54 Milliarden tot. Dead end. Aber natürlich wird diese Grenze niemals erreicht, ist doch klar. Die Schwaben waren schon immer so clever 20-30 Jahre nach anderen Städten den gleichen Murks anzugehen. Der Unterschied: Baden-Württemberg zieht das auch noch durch;(

Die Krux mit dem Parteiensystem

Als kleine Anmerkung für mich. Im März habe ich gewählt. Das stimmt. Was ich gewählt habe ist uninteressant, da ich mich mit keiner Partei komplett identifizieren kann. Nur so viel: ich habe nicht taktisch gewählt. Die Absurdität der Wahl ist doch, dass man immer nur das kleinere Übel wählen kann. Mein vorrangiges Ziel war, wie hier im Blog leicht zu erkennen, die CDU/FDP abzuwählen. Das kann man nun gut oder doof finden. Aber viele Grüne/SPD Wähler haben eben diese Parteien nicht alleine wegen der Thematik Stuttgart 21 gewählt. Ebensowenig wie CDU Wähler die CDU ausschliesslich wegen des Erhalts des bisherigen Schulsystems gewählt haben. So einfach ist die Welt nunmal nicht. Für mich war es eine Abwahl und keine Wahl, da ich die Überheblichkeit gewisser „M“ und „G“ Politiker einfach nicht mehr ertragen habe.

In diesem Sinne: „Augen auf Herr Ramsauer Stuttgart 21 ist eh schon tot“

Persönlich finde ich die Aktion von heute morgen super. Eine Aufforderung an Herrn Ramsauer. Ich weiss, dass das wieder ganz vielen Menschen in und um Stuttgart herum nicht passen wird, aber so ist eine Protestbewegung nunmal. Da ich sowieso kein großer Freund der neuen Bibliothek bin finde ich auch den Ort sehr passend gewählt.

Augen auf Herr Ramsauer Stuttgart 21 ist eh schon tot

Bildnachweise
Hauptbahnhof: comzeradd, CC-Lizenz
Bibliothek: Bei Abriss Aufstand

5 Meinungen zu “Stuttgart 21 und die Volksabstimmung

  1. Ein sehr schöner Beitrag – habe selten so gelacht :)

    Übrigens hat weniger etwas mit S21 zu tun, aber am Samstag (23/4) haben wir einen Sternschnuppen regen. Vielleicht kann man sich ja ein endgültigen Baustopp wünschen – ist jedenfalls wahrscheinlicher als durch einen Volksentscheid oder ein Stresstest.

    In dem Sinne: Oben Bleiben !

  2. Das Thema polarisiert zwar immer noch. Aber ich denke nach der Volksabstimmung wird der Wind raus sein. Die Kostenfrage ist sowieso noch einmal eine andere Baustelle. Wie Sie schon richtig angemerkt haben, gibt es genügend Tricks und Mechanismen solche Pläne „vorerst“ einzuhalten. Im Gegenzug wirkt die bestellte Partizipation durch die Volksabfragung wie ein Dämpfer, der jeglichen Protest durch das echte „Volks“ (per Wahl) delegitimieren soll.

    Vor allem weil die Frage der Wählerschaft (BaWü, Stuttgart oder sogar doch die ganze Republik!) auch noch nicht gelöst ist und niemals befriedigend gelöst werden kann. Die Politiker machen es sich gemütlich und haben ihr Zugpferd (Volksabstimmung) und können indirekt ihr Wahlversprechen einhalten.

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