Unglaublich reisserische Überschrift, die aber in Teilen tatsächlich zutrifft. Panoramafreiheit? Bis eben habe ich noch nie etwas davon gehört. Wikipedia fragen:
Die Panoramafreiheit (auch Straßenbildfreiheit) ist eine in vielen Rechtsordnungen der Welt vorgesehene Einschränkung des Urheberrechts, die es jedermann ermöglicht, urheberrechtlich geschützte Werke, beispielsweise Gebäude, Kunst am Bau oder Kunst im öffentlichen Raum, die von öffentlichen Verkehrswegen aus zu sehen sind, bildlich wiederzugeben, ohne dass hierfür der Urheber des Werkes um Erlaubnis ersucht werden muss.
Problem dabei: Das ist nicht in allen europäischen Ländern so geregelt. Es gibt Länder, da gilt die Panoramafreiheit uneingeschränkt. Dann gibt es Länder, in denen es nur gestattet ist Gebäude zu fotografieren, aber keine Kunstwerke, Denkmäler, etc. In anderen Ländern darf man nicht in Innenräumen fotografieren. Jedes Land regelt das anders. Wie individuell zeigt diese Grafik. Auf Klick wird die Karte größer.
Julia Reda, deutsche Abgeordnete im EU-Parlament hatte eigentlich einen ganz guten Plan. Nämlich genau diese Panoramafreiheit europaweit gleichzustellen. Die Panoramafreiheit sollte auf alle EU-Länder ausgeweitet werden. Gleiches Recht für alle eben. Die Panoramafreiheit war ein Teil des Berichts über die Evaluation des EU-Urheberrechts. Eigentlich ist auch alles gut, nur den Punkt der Panoramafreiheit hat der Rechtsausschuss nicht kapiert. Also schon kapiert, aber einfach umgedreht.
Hier die ursprüngliche Forderung des Berichts (links) und was der Rechtsausschuss jetzt umsetzen möchte (rechts):
Problem: jeder Bageordnete kann natürlich zu so einem Bericht Änderungsanträge stellen. Und richtig dummerweise entschied sich der Rechtsausschuss dafür, den restriktivsten aller Änderungsanträge umsetzen zu wollen. Das würde bedeuten, dass in jedem EU-Land die Panoramafreiheit gestrichen wird. Und das heisst für dich: du kannst keine Fotos von dir und deinen Freunden vor bekannten Gebäuden, Statueen, etc. beispielsweise auf Facebook teilen. Oder auf Twitter. Oder im Blog, in dem du einen Flattr Button oder Werbung integriert hast. Natürlich geht es darum, dass man die Fotos nicht in einem kommerziellen Kontext verwenden darf.
Problemstellung: nicht wenigen sozialen Netzwerken erteilst du mit dem Upload deiner Fotos das Recht, die Fotos kommerziell nutzen zu dürfen. Und somit kann niemand garantieren, dass dein Foto nicht irgendwann kommerziell verwendet wird.
Große Teile der EU-Abgeordneten scheinen in einer Parallelwelt zu leben, in der keine anderen Menschen mehr wohnen. Sie leben isoliert und fristen ihrem Abgeordneten-Dasein und beschließen Gesetze, die niemand braucht.
Wie sieht das im Alltag aus?
Stell dir vor du stehst vor dem Schloss Sanssouci. Du machst ein Foto von dir, wie du mit dem Mittelfinger nach oben gereckt die Zunge rausstreckst. Dabei trägst du eine rote Clownsnase, Kniestrümpfe und Lederhosen. Als Hut hast du dir das so einen Hut mit angeklebten Dreadlocks aufgesetzt. Um es abzukürzen: Es ist total unwichtig was du für Grimassen ziehst oder was du trägst. Solange du nicht weisst, ob der Architekt bereits mindestens 70 Jahre tot ist, darfst du das Foto einfach nicht in einem kommerziellem Umfeld veröffentlichen. Ach was, noch schlimmer. Bereits 2008 hat die Schlösserstiftung Berlin-Brandenburg, Eigentümer, Recht bekommen. Fotos des Schlosses dürfen nicht ohne deren Genehmigung zum Verkauf angeboten werden.
In Brüssel darf man kein Foto vom Atomium machen. Das ging damals durch die belgische Presse, sogar dass das Internet speziell nach diesen Bildern durchsucht wurde, um dann abzumahnen. Dann ruderte SABAM und die V.o.G Atomium, die zum Schutz des Urheberrechts beautragt wurden, zurück und erlaubte das Veröffentlichen im privaten Bereich.
Vorher und Nachher
Damals montierte ich einen komischen, witzigen Typen vor Sehenswürdigkeiten. Ich habe das mal in Vorher/Nachher Fotos umgewandelt, damit man sieht, wie diese Fotos zukünftig aussehen müssten, um rechtlich korrekt zu sein:
Was soll der Mist? Hört auf uns mit euren Gesetzen zu drangsalieren.
Was kannst du tun? Was kann ich tun?
Am 9. Juli stimmt das Plenum des EU-Parlaments über den Bericht zur Urheberrechtsreform ab. Die letzte Möglichkeit für die Abgeordneten, eine Änderung der Passage zur Panoramafreiheit zu diskutieren und zu beschließen. Und was können wir tun?
Erstens: ruft doch einfach mal den EU-Abgeordneten deiner Wahl an und erkläre ihm, für was er da eigentlich abstimmen möchte. Wäre schon interessant zu wissen, ob Herr Oettinger nicht gerne ein Foto von sich vor der Allianz Arena in München teilen würde. Der Architekt ist aber noch keine 70 Jahre tot. Also, erklärt ihnen das mal.
Zweitens: Petition zeichnen.
Drittens: Hoffen, dass die in Brüssel wieder zur Vernunft kommen. Irgendwie.
Eine Meinung zu “Vermeintliche Panoramafreiheit: EU-Parlament möchte deine Urlaubsfotos in sozialen Netzwerken verbieten”