Am Samstag fand die Anti-AKW-Menschenkette vom AKW Neckarwestheim nach Stuttgart statt. 45 Kilometer. Die Thematik alleine hätte mich auf die Straße gebracht. Doch bei der Kundgebung konnte ich, na lasst es mich so sagen, eine Art Seelenverwandten interviewen. Hans Söllner. Wer mich etwas näher kennt weiss, dass ich seit ungefähr 15 Jahren dem Reggae verfallen bin.
Da ich in Bayern aufgewachsen bin ist klar, dass man früher oder später an Hans Söllner nicht vorbeikommt. Bei mir war es eher früher.
Foto Copyright 2011 www.innermann.de – Hans Söllner Konzert Stuttgart Schlossplatz
Hintergrundinformationen aus persönlicher Sicht
Das Interview fand spontan statt, nachdem Susi (danke Susi) das mit dem Hans klar gemacht hat. Noch schnell mein Zeug holen und dann hinter der Bühne, jawoll, da sitzt er schon, der Hans. Warum mein Herz so an diesem Moment hängt?
Erstens habe ich damals mit sunOne von Leos Den zusammen ein kleines Underground Reggae Magazin namens R-evolution gemacht. Damals hatte es mit einem Söllner Interview nie geklappt.
Zweitens, weil ich immer noch am Reggae Bildband Innermann arbeite, den ich irgendwann erhoffe durch Spenden und Sponsoren veröffentlichen zu können. Und da darf Hans Söllner einfach nicht fehlen. Definitiv nicht.
Drittens weil ich glaube zu wissen wer mich da erwartet. Da wird Musik zur Nebensache. So hoffe ich zumindest.
Hans Söllner 12.03.2011 Stuttgart – Lass fliag´n deine Dreads
Hans Söllner Interview am 12.03.2011 in Stuttgart
Anmerkung: das Interview gebe ich sinngemäss wieder, da ich hinter der Bühne keinen Mitschnitt des Gesprächs machen konnte. Lautstärke und so. Und weil ich schon früher gemerkt habe, wie dieses ganze technische Zeug die Unterhaltung stört.
Mit Palästinenser-Tuch über seinem Kopf sitzt er da. Ich sage „Servus“ und erzähle ihm kurz wer ich bin. Der bayrische Dagegen-Bürger im schwäbischen Exil. Dem es aber im Exil so gut gefällt und der hier wahnsinnig viel zu tun hat. Der Hans lacht und sagt ein „Servus“. Na denn, los geht´s…
Hans, momentan geht auf unserer Welt so einiges ab. Libyen, Ägypten, die Welt erwacht langsam. Veränderung ist in vollem Gange. Was ist schlimmer für die Menschheit, Diktaturen oder die mentale Unterdrückung in der westlichen Hemisphäre?
Hans: Es ist auf jeden Fall einfacher auf die Straße zu gehen, wenn du nichts mehr hast. Insofern ist es unter einem Diktator einfacher „Aufzustehen“, denn du hast nichts mehr zu verlieren. Erst wenn der Mensch nichts mehr besitzt geht er bis zum Äussersten. Wenn du aber anschaust, was hier bei uns abläuft, dann sind wir noch etwas davon entfernt. Wenn du siehst, wie hier mit den Menschen umgegangen wird. Da steckt ein Konzept dahinter. Den meisten Leuten geht es noch zu gut um auf die Straße zu gehen. Aber genau das ist das Konzept. Und die wissen genau, wie sie das machen müssen. Lass die Leute nicht sterben, aber gib ihnen auch nicht zu viel. Das ist das System in dem wir gehalten werden. Solange wir kein bedingungloses Grundeinkommen für jeden haben wird sich das nicht ändern. Stell dir vor, du, deine Frau und deine zwei Kinder, ihr hättet monatlich 2500 EUR netto auf dem Konto. Was würdest du dann machen?
Woher weisst du, dass ich verheiratet bin und zwei Kinder habe?
Hans: (lacht) War nur ein Beispiel. Aber was würdest du machen? Du würdest dich nicht mehr vor den Karren spannen lassen. Du könntest machen worauf du Lust hast. Und wenn du dann einen Job machst, in dem du weniger verdienst, aber in dem du glücklich bist, dann wäre das sinnvoll. Aber so lange die uns immer in diesem Zustand halten, da wird es schwer, dass sich was ändert. Aber die Leute wachen auf. Die begreifen langsam, dass es so nicht mehr weitergeht. Und das ist gut so.
Glaubst du wirklich an eine Veränderung, oder liegt es nicht im Menschen, dass er immer mehr möchte. Immer größer, immer weiter, immer mehr Geld. Hat man das erreicht geht das Spiel doch wieder von vorne los, oder?
Hans: Das ist ja genau Teil des Konzepts. Solange du mit dir selbst beschäftigt bist, solange wirst du nicht „gefährlich“ für die. Solange du dich nur um dein eigenes Leben kümmerst, solange wird sich nichts ändern. Aber genau da liegt der Fehler. Letztendlich ist es den Machthabenden egal, was wir da machen. Und ein Diktator in Libyen macht sich doch genauso die Taschen voll, wie die Verantwortlichen in Deutschland, in Amerika oder wo auch immer auf dieser Welt. Und die verdienen nicht mal eigenes Geld. Die verdienen unser Geld. Wir bezahlen die für das, was sie da machen. Durch unsere Steuergelder. Die hätten doch ohne uns nichts. Und dann schau sie dir an wie sie uns behandeln. Denen sind wir doch egal. Wenn du nach mehr strebst und immer mehr willst, dann müssen dir die anderen irgendwann egal sein. Wir müssen erkennen, dass es hier eine Welt ist. Du kannst Japan nicht von Deutschland trennen, Ägypten nicht von Italien. Das ist eine Welt. Wenn ich jetzt hier loslaufe, dann komme ich unweigerlich irgendwann nach Japan. Ok, ich muss noch ein bisschen schwimmen, aber irgendwann bin ich auf jeden Fall in Japan. Das ist jetzt vielleicht ein wenig einfach formuliert, aber so sehe ich das. Deshalb kann man das nicht trennen. Und es geht um viel mehr als um jedes einzelne Land, es geht um eine Welt. Wenn da in Japan ein Atomkraftwerk in die Luft fliegt, dann ist das nicht nur ein Problem Japans, sondern der ganzen Welt. Du kannst die Natur nicht ignorieren. Du kannst mit ihr leben, aber wenn du sie ausbeutest, dann gibt es die Quittung.
Glaubst du, dass Politiker, ganz geheim, zu Hause im stillen Kämmerlein doch ein Gewissen haben?
Hans: Nein, das glaube ich nicht. Wenn die ein Gewissen hätten, dann würden die nicht einfach alles ignorieren. Denen ist es doch egal, ob da 5.000 oder 50.000 auf der Straße stehen. Die sitzen da und ignorieren alles. Schaut euch in Stuttgart doch an. Was habe ich mich damals geärgert. Wie konntet ihr nur den Geißler als Schlichter akzeptieren? Das war doch der große Fehler. Oder glaubst du, dass sich ein ehemaliger CDU Politiker, nur weil er sich jetzt was anderes auf sein Fähnchen schreibt, geändert hat? Das ist doch klar, dass der seiner Partei niemals in den Rücken fallen würde. Und was er unter anderer Fahne macht ist doch nur eine gute Tarnung. Der schreibt danach noch zwei, drei Bücher über die Schlichtung und macht sich nochmal die Taschen voll. Und ihr da in Stuttgart? Ihr steht wieder da und fangt von vorne an. Die Veränderung kommt nur, wenn man jede Woche mit 5.000 Menschen da steht und sagt „So nicht“. Solange bis die das kapieren. Natürlich muss ich auch sagen, dass ich mir zum Beispiel einen Widerstand leichter leisten kann. Aber darum geht es nicht nur. Es geht da nicht um Geld und Macht. Und meine Kinder, die haben es zum Beispiel auch nicht immer einfach mit einem Vater wie mir, der überall nur als Rebell gesehen wird. Es geht letztendlich ums „Aufstehen“.
(Anmerkung: Hans Söllner hat bereits aus früheren Tagen ein ganz bestimmtes Verhältnis zum Herrn Geißler. Und ich glaube tatsächlich, dass viele ausserhalb Bayerns einfach ein Problem mit der Sprache haben. 2/3 aller Wörter, die sich für Aussenstehende nach Schimpfwörtern anhören, sind in großen Teilen Bayerns keine Beleidugungen, sondern Alltagssprache. Oder was würdest du denken, wenn ich „Fotzenhobel“ sag? Keine Panik, ist nur eine Mundharmonika.)
Hans, du sagst ja selber von dir, dass du bekennender Rastafari bist. Was stört dich an den Religionen hier? Was ist die Kirche eigentlich noch? Nimmt die noch jemand ernst?
Hans: Wenn ich mich zu einer Religion zugehörig fühlen würde, dann am ehesten zu Rastafari. Aber auch da stimme ich nicht allem zu. Eigentlich ist das eine der frauenfeindlichsten Religionen überhaupt. Und damit habe ich persönlich z.B. gar nichts am Hut. Das sehe ich ganz anders. Auch das ganze Homosexuellen Thema interessiert mich nicht. Wir sind alle eins. Eine Welt, eine Menschheit. Und das ist es, was ich an Rastafari schätze. Der bewusste Umgang mit dem Leben und der Natur. Und natürlich, dass es zu der Religion gehört zu rauchen. Warum sollte das verboten sein. Mir ist lieber, die Menschen rauchen ab und zu was, als dass sie sich ins Koma saufen. Ich könnte genauso gut sagen ich wäre ein Christ, wenn man den Jesus nicht instrumentalisieren würde. Wenn der Jesus als das gesehen würde, was er war: ein Seher und Heiler. Dann hätte ich gar kein Problem zu sagen, ich wäre ein Christ. Und wenn du dir dann die Kirchen hier anschaust. Ja, was soll ich da noch sagen. Warum missbrauchen die denn Kinder? Die haben doch gar keine andere Wahl. Diese Kirche ist gegen jede ursprüngliche Form des Lebens. Da dürfen dir als Mann Brüste nicht gefallen, Mu***** dürfen dir auch nicht gefallen. Der Trieb soll ausgeschaltet werden. Aber das ist doch der Ursprung. Liebe. Und wenn du auf all das verzichten sollst, dann ist das nicht mehr zeitgemäss. Da ist klar, dass die da abdrehen. Die Kirche sollte auch die Aufgabe haben sich in aktuelle Themen einzumischen. Aber was machen die? Die ziehen sich zurück, halten ihren Mund. Und alles passiert im stillen Kämmerlein.
Hans, du bist jetzt schon so lange im „Widerstand“. Kannst du mir Hoffnungen machen, dass es bald eine Veränderung geben wird? Oder glaubst du, dass der Widerstand einem Menschen angeboren ist. Dass er aufsteht und sich wehrt, wenn ihm was nicht passt?
Hans: Um es klar zu sagen: es geht nicht um mich! Und es geht auch nicht um meine Kinder. Das ist doch nur ein vorgefertigtes Argument, dass man durch die Erziehung mitbekommt. „Wir machen das doch alles nur für dich, dass es dir irgendwann mal besser geht“ oder „Wir wollen dir doch später was hinterlassen“. Nein, darum geht es nicht. Meine Kinder werden selbst für eine bessere Welt einstehen, wenn sie es möchten. Ich weiss, dass ich wahrscheinlich keine Veränderung mehr erleben werde. Aber darum geht es nicht. Es geht um den Weg der Veränderung. Und der ist wichtig. Ich muss doch selbst aufstehen und sagen was gesagt werden muss. Was ich für richtig und ehrlich halte. Und wenn noch mehr Menschen aufstehen und erkennen, dass man die Erde und die Nationen nicht voneinander trennen kann, dann sind wir auf einem guten Weg. Und irgendwann kommt die Veränderung, in kleinen Schritten, aber sie kommt. Da werden die da oben irgendwann nicht mehr daran vorbeikommen. Vielleicht muss es auch so sein, dass wir noch mehr Armut in Deutschland brauchen, damit sich noch mehr bewegt. Aber wenn das der Weg ist, dann ist eben das der Weg. Und ich glaube auch, dass ein ganz großer Teil des Widerstandes denjenigen Menschen angeboren ist, die ihn antreiben und ausleben. Das ist so. Und ich rede da jetzt nicht von einem Widerstand einer politischen Partei. Sondern vom Widerstand in einem Menschen. Klar, man versucht irgendwann sich ein wenig anzupassen, etwas ruhiger zu werden. Damit man so wird, wie die sich das vorstellen. Die, die anderen. Oder eben wie das System dich will. Aber du merkst, dass es in dir brodelt. Und du spürst, dass du das rauslassen musst. Da kannst du einfach nicht aus deiner Haut. Da geht es doch nicht darum „Gegen“ etwas zu sein. Die müssten nur mal eine andere Brille aufsetzen, dann würden die das auch verstehen. Wir sind nicht dagegen, sonder dafür. Für Liebe, für Freiheit, für die eine Welt, für ein verantwortungsvolles Leben mit der Natur und vieles mehr. Da haben wir doch viel mehr „Fürs“ auf unserer Seite. Und das wissen die auch.
Danke Hans für das Gespräch.
Mein Herzensprojekt namens „Innermann“
Bei dem Fotoprojekt „Innermann“ versuche ich alle Fotos von Musikern gesammelt als Bildband zu veröffentlichen. Und ja, ich weiss, wie schwer es ist einen geeigneten Verlag dafür zu finden. Insgeheim glaube ich aber fest an die Menschen. Deswegen versuche ich momentan die Veröffentlichung des Bildbandes über Paypal Spenden und Sponsoren im Buch zu finanzieren. Wer mein Herzensprojekt unterstützen möchte, dem sage ich ganz lieben Dank für eure Hilfe.
Yeah man, der Hans! Danke für´s interviewen, Floydman! Wäre gerne dabei gewesen!
Fieri allweil, zruck nimmer, auffi gehtsna – packmas Leits!
Alles Beste – Innerman rules!
Man da hast du echt was verpasst. Aber im Geiste habe ich dich mitgenommen. Ehrlich und hey, ich verstehe gar nicht warum die Leute ihn immer zu einem Grantler degradieren. Ich habe ehrlich selten so positive Vibes verspürt wie bei dem Gespräch. Vielleicht weil ich es auch mal verstanden habe;) Ne, ehrlich, der Hans ist wirklich einfach a guater Mensch. Kleine Randgeschichte: während unserem Gespräch kam eine Frau und wollte dem Hans „Widerstandsbonbons“ schenken (also Suttgart 21 Widerstandsbonbons;))
Und was sagt der Hans: „Mei des is echt liab, aber i ess kein Zucker. Danke.“