Stuttgart ist und bleibt Stuttgart. Weder mit noch ohne Stuttgart 21 wird diese Stadt das neue Herz Europas. Für alle nicht Stuttgarter entschuldige ich mich bereits vorab, dass es wieder mal um das Ding mit der „21“ geht. Am 27. November 2011 sollen die wahlberechtigten Bürger Baden-Württembergs über den Bahnhof in Stuttgart entscheiden. Besser gesagt lautet die Frage der Volksabstimmung:
Stimmen Sie der Gesetzesvorlage „Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21“ (S21-Kündigungsgesetz) zu?
Die Frage impliziert bereits, dass sich nichts ändern wird. Selbst bei einem positiven Ausgang für die Gegner nicht. Denn wie sich die Deutsche Bahn verhalten würde steht auf einem anderen Blatt. Stattdessen wird mit der Volksabstimmung ein vermeintlich demokratisches Mittel gezückt, um die zehnte demokratische Legitimation für dieses Projekt herbeizuführen.
Doch ich schweife in alter Manier vom Thema ab. Ich werde das Ergebnis des Volksabstimmung nicht anerkennen. Nicht weil ich ein Unverbesserlicher bin, nicht weil ich keine demokratischen Mittel schätze, nicht weil ich die Demokratie nicht schätze. Nein, ich werde diese Volksabstimmung nicht anerkennen, da mir heute bewusst wurde, aus welchen Beweggründen Menschen mit „Nein“ bei der Volksabstimmung stimmen wollen. Bitte, bitte liebe Baden-Württemberger_innen, informiert euch bitte etwas detaillierter über dieses Projekt. Damit will ich nicht zum Ausdruck bringen, dass niemand Ahnung von dem Projekt hat. Viele haben sich intensiv damit auseinandergesetzt. Dennoch möchte ich euch heute 3 Argumente für den Bahnhof vorstellen, die ich tatsächlich zu hören bekam. Denn klar, auch bei der Arbeit spricht man einmal ein paar Menschen auf das Thema und die bevorstehende Volksabstimmung an.
1. Grund: die Montagsdemos
Mag man glauben oder nicht, aber dieser Grund wurde tatsächlich genannt: Damit montags die Demonstrationen aufhören. Hahaha, sorry, aber die Demonstrationen werden noch weniger aufhören, wenn eine Mehrheit für den Bahnhof stimmt. Damit meine ich mich nicht persönlich, aber viele Menschen werden dann erst recht und weiterhin auf die Straße gehen. Abgesehen davon ist dies kein wirkliches Argument. Es ist nur die Bequemlichkeit und dass alles wieder so wird, wie es einmal war. Die Sehnsucht montag abends am Hauptbahnhof vorbeizufahren scheint immens zu sein.
2. Grund: Die Finanzierung
Ja, auch das habe ich erfahren. Der Bahnhof ist bereits bezahlt. Alles bezahlt. Wieso sollte man dann für einen Ausstieg stimmen? Das Geld wäre in diesem Fall verloren und man hätte gar nichts mehr. Mensch, da platzt mir der Kragen. Das steht sogar auf den Pro Plakaten: 1,5 Mrd. für den Ausstieg oder weiter bauen? Folglich, wenn man mit Pro Argumenten antritt wären bis jetzt aus Sicht der Bahn 1,5 Mrd. an Kosten entstanden. Wie viel kostet der gesamte Bahnhof? GARANTIERT nicht mehr als 4,5 Milliarden. Sicher. Ehrlich. Ganz sicher. Sollte es dennoch teurer werden, na ja, dann muss man sich einfach zusammensetzen und aushandeln wer wie viel der Mehrkosten zu tragen hat. Da werden sich einige Politiker und Bahnverantwortliche zukünftig sicherlich häufiger treffen.
Ich weiss, viele halten dieses Video für absolut schwachsinnig und falsch. In den Youtube Kommentaren kann ich aber keinerlei eindeutige Beweise finden, dass dieses Video komplett erfunden und erlogen wäre. Tobt euch in den Kommentaren aus, aber informiert euch!
3. Argument: Neubaustrecke und Bahnhof gibt es eben nur im Paket
Noch so ein gern verwendetes Argument. Man scheint sich im Kreis zu drehen. Vielleicht gibt es aber tatsächlich keine besseren Argumente? Stell dir vor du kaufst ein Softwarepaket, z.B. Illustrator, Photoshop, Dreamweaver, etc. Doch du weisst, dass du Dreamweaver niemals brauchen wirst. Kaufst du dann trotzdem das teurere Bundle anstatt die einzelne Software? Natürlich, die Bahn wird einen Teufel tun sich zum jetzigen Zeitpunkt nochmals freiwillig mit einer Alternative (ja, ich weiss, die wurde ja schon geprüft und für schlechter befunden, damals, 1785) zu beschäftigen. Doch wenn wir argumentieren, dann auf welcher Basis? Ist jetzt der neue Bahnhof tatsächlich leistungsfähiger. Und damit meine ich nicht leistungsfähiger als der abgegammelte Bahnhof, der momentan in Stuttgart steht. Um den kümmerte sich die Bahn nämlich die letzten Jahre gar nicht mehr. Wie erweitert man eigentlich den neuen Bahnhof, falls man eine höhere Auslastung bräcuhte? Wir reden ja schliesslich von einem Jahrhundetprojekt. Ganz ehrlich, ich mag verblendet sein, ebenso auf meiner Seite verharren, wie ihr Befürworter auf eurer. Aber wer mit solchen Argumenten kommt, der braucht sich nicht wundern, wenn bei der Volksabstimmung ein völlig verzerrtes Bild das Ergebnis sein wird.
Denn es ist sehr wohl möglich, einen Bahnhof zu bauen, der locker leistungsfähiger ist als dieses komische Tunnelding. Ob K21 nun der Weisheit letzter Schluss ist, davon bin ich auch noch nicht überzeugt. Aber muss ich auch nicht. Mir reicht das Wissen, dass uns hier in Stuttgart ein Unfug verkauft wurde, der ausserhalb jeder Vorstellungskraft liegt. Geplant von Herren, die in der Zeit des „Höher, schneller, weiter“ aufwuchsen und nichts anderes kennen.
Wie sonst kommt man auf die Idee eines Tunnelbahnhofs, der Tag und Nacht beleuchtet werden muss. In Zeiten von Energiepreisen, die stetig steigen. Wie kommt man darauf einen Bibliothek nachts blau leuchten zu lassen? Ah geh, würde die Tante Gerda sagen, das sieht doch einfach toll aus. Und dann mit einem Energiesparviertel angeben, das dort entstehen soll. Was für eine Farce.
Mir ist egal, wie ihr am Sonntag, den 27.11. abstimmen werdet. Was ich mir wünsche ist allerdings, dass sich viele Menschen mit dem Thema auseinandersetzen. Ob mit oder ohne Abstimmung. Geschenkt.
Ein neues Video zu den Ausstiegskosten: http://www.bei-abriss-aufstand.de/2011/11/18/15-milliarden-fur-den-ausstieg-neues-video/