Zwei Tage nach der Volksabstimmung kann ich schon wieder lachen. Als Gegner dieses neuen Bahnhofes akzeptiere ich das Ergebnis. Zumal mich dieses in keinster Weise überraschte. Bürgerbeteiligung lernt sich eben nicht von heute auf morgen. In der Schweiz, wo jährlich ca. 3 Volksabstimmungen stattfinden gibt es ausreichend Möglichkeiten direkte Demokratie zu „üben“. Das ist hierzulande nicht so. Hier regiert das Geld. Das schreibe ich nicht, weil ich vom Ergebnis frustriert bin. Vielmehr erschreckt mich, dass wir anscheinend keine funktionierende Demokratie mehr besitzen, sich aber niemand darüber beschwert.
Glückwunsch an alle Befürworter des Bahnhofs
Die millionenschwere Propagandamaschinerie hatte eine höhere Durchdringung innerhalb der Bevölkerung. Zu viele finanziell teure Kampagnen liessen alle rationalen Argumente an der Befürworterseite abprallen. Höhepunkt der Propaganda und das Husarenstück war der Brief des Stuttgarter Oberbürgermeisters Wolfgang Schuster (CDU) an alle wahlberechtigten Bürger_innen der Stadt. Der Befürworterrezipient wird sich durch den Brief in seiner Meinung bestätigt gesehen haben. Wer als Gegner des Projektes diesen Brief bekam musste sich zwangsläufig fragen, wie lange man diese Propaganda noch ertragen müsse. Bei mir löste der Brief das Kleinkindsyndrom aus. Der Brief alleine hat das Abstimmungsergebnis in keinster Weise beeinflusst. Vielmehr die Summe aller Propagandakampagnen hat die Menschen „überzeugt“.
Wer scheinbar unbegrenzt Geld in Meinungsmache investieren kann darf sich zurecht „Gewinner“ nennen. Aber Vorsicht ist geboten: die Gegner haben seit geraumer Zeit ihre Strukturen aufgebaut. Sicherlich können sie nicht mal schnell 1 Millionen Euro für eine Volksabstimmungskampagne ausgeben, das bleibt weiterhin der alteingesessenen Connection vorbehalten. Eine Mischung aus Politik und lokalen „Unternehmen“ regieren das Land. Doch die alternativen Strukturen sind installiert. Ruhe ist nicht. Diese vorhandenen Strukturen sollten weiter ausgebaut werden.
Glückwunsch an alle Gegner des Bahnhofs
Mir ist es heute wichtig allen Gegnern des Projektes zu gratulieren! Das meine ich absolut ehrlich. Mit viel Engagement haben sich Menschen in ihrer Freizeit eingebracht, dafür meinen allergrößten Respekt. Ehrlich. Doch auch möchte ich auf eines hinweisen: wenn wir jetzt aufhören, dann wurden wir wieder mal etappenweise mundtot gemacht. So funktioniert Demokratie nicht. Zumindest nicht aus meiner Sicht. Auch wenn der Zug bei Stuttgart 21 abgefahren ist gibt es für die Bevölkerung weitere wichtige Punkte sich einzubringen. Wenn wir der Politik da wieder freien Lauf lassen, dann enden wir, wo wir in Stuttgart vor ein paar Jahren standen. Lasst uns Frau Erler auf die Finger schauen, lasst uns beobachten was unsere „Regierung“ mit uns veranstaltet. Also Parteiloser und politisch frei Denkender sehe ich das so: wer auch immer an der Macht sitzt wird versuchen es sich dort so lange wie möglich bequem zu machen. Mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit ohne Meinung des Volkes, denn das würde nur zu Mehraufwand führen. Wenn ein paar runde Tische zum Thema Windräder die neue Bürgerbeteiligung ist, dann müssen wir uns weiter engagieren. Friedlich.
P.S. Bei genauerem Betrachten der Ergebnisse der Volksabstimmung musste ich feststellen, dass ich in einer größeren Stadt vielleicht doch ganz gut aufgehoben bin. Wenn man sich teilweise die Ergebnisse auf dem Land ansieht bleibt mir nur die Hoffnung, dass die Städte den Anfang einer Veränderung eingeläutet haben oder einläuten werden.