#Aufschrei, meine Freunde. Die letzten Tage habe mir gezeigt, dass es neben meiner kleinen, anscheinend relativ heilen Welt, noch eine große grauenvolle Welt voller Sexismus gibt. Wie immer, wenn ein Thema eine hohe Präsenz innerhalb der Medien einnimmt (die dieses Thema verdient), laufen Diskussionen häufig aneinander vorbei.
Zwei Fronten versuchen sich anzunähern, was fehlt ist die Mitte. Fraglich, ob es bei diesem Thema überhaupt eine „Mitte“ gibt. Fraglos aber, dass es Zeit wird unser Handeln zu überdenken. In einigen tollen Blogartikeln schlagen sich Menschen in den Kommentaren die Köpfe ein, oft auch aus fehlender Bereitschaft die eigene Position nur ein Stück weit kritisch zu hinterfragen. Um so erstaunter war ich, dass es #Aufschrei bis zu Günther Jauch „schaffte“.
Medienhype vs kollektiver Bewusstseinsveränderung
Die Anführungszeichen bei dem Wort „schaffte“ deuten schon auf meine Meinung hin. Peter Breuer hatte bereits vor der Sendung den „Joey Heindle. Ein #aufschrei.“ Artikel geschrieben, den man sich gerne durchlesen darf. Dieses überhöhte Anforderungsdenken an eine Sendung wie Jauch überraschte mich. Sicher, die Freude, dass es dieses Thema zu Jauch brachte, sei allen gegönnt, doch spätestens der Titel „Ein Herrenwitz mit Folgen – hat Deutschland ein Sexismus-Problem?“ hätte bei einigen doch mindestens Verwunderung auslösen sollen und fasste das Ergebnis der „Diskussion“ bereits vorab zusammen.
Die Sendung Jauchs ist nicht da, um das Bewusstsein der Menschen für dieses Thema zu schärfen. Eine solche Sendung ist nicht mal geeignet, um als Diskussionsgrundlage herzuhalten. Je länger ich mir das gestern ansah, um so erstaunter war ich, ob der eigenen verschobenen Wahrnehmung. Als Mensch, der sich sehr viel im Internet bewegt, der sehr viele Blogs liest, etc. und nur selten „Mainstreammedien“ konsumiert stellte ich fest:
Schon komisch, wie verwirrend man manchmal vor dem TV sitzt, wenn man sonst hauptsächlich das Internet nutzt. Und dafür zahlt man? #jauch
— Fakeblog (@floyd_celluloyd) 27. Januar 2013
Bis auf den Punkt, dass „verwirrend“ „verwirrt“ hätte lauten sollen, bin ich immer noch von diesem Tweet überzeugt. Mir wurde bewusst, dass wir uns im Internet nicht mehr leichtgläubig mit Aussage XY zufrieden geben. Wir informieren uns, lesen über den Tellerrand hinaus, konsumieren gerade Geschichten, die dem Diskurs dienen. Diese These stelle ich jetzt frecherweise mal unbewiesen und ohne jegliche Wertung in den Raum. Vor diesem Hintergrund wirken Talkshows wie „Jauch“ noch um einiges banaler, als anfangs vermutet. Dabei sollte man nicht vergessen, dass die nächtlichen Talkshows, bis auf einen ruhigeren Ton (ab 22 Uhr herrscht Bettruhe), dem ihrer nachmittäglichen Pendants in den Privaten entsprechen.
Jauchs gestrige Talkshow sollte nichts verändern, nichts ins Rollen bringen, nicht zum Diskutieren anregen. Die Sendung war lediglich einem Medienhype geschuldet, den die Macher der Talkshow auszuschlachten vermochten. Dem entgegen stehen Menschen, die an einer kollektiven Bewusstseinsveränderung einer Gesellschaft arbeiten wollen. Das passt nicht zusammen, merkt ihr selbst, oder?
Was bleibt uns?
Wie so oft liegt es an uns. Wie erziehen wir unsere Kinder? Wie reagieren wir selbst in bestimmten Situationen? Was verhalten wir „Männer“ uns, wenn wir so einen Übergriff bemerken? Wir hätten tausend ernsthafte Fragen zu diskutieren, die weit über ein Unterhaltungsformat hinausgehen. Stattdessen regen wir uns über ein Unterhaltungsformat auf.
Mir ist das peinlich. Jetzt halte ich einfach mal die Klappe, weil ich erst mal selbst überlegen muss, wie ich denn meine Kinder so erziehen könnte, dass sie eben nicht in dieses klischeehafte Verhalten verfallen. Over and out.
Interessante Artikel zum Thema
Die Links spiegeln nicht immer meine eigene Meinung wider, dafür ist dieses Thema zu individuell denke ich. Die Artikel sind aber für jede weitere Debatte wichtig. Klickt ruhig auch die Links innerhalb der Artikel an, dann merkt man, wie komplex dieses Thema wirklich ist.
Das Nuf: Keine Lösungen, aber viele Fragen
Vorspeisenplatte: Es geht nicht um mich
Frau Meike: Das Schreien der Lämmer
Haltungsturnen: Derailing und die Lämmerfrage
Journelle: Danke #aufschrei (Journelle hat unendlich viele Artikel verlinkt)
Nerdcore: #Aufschrei
Hermsfarm: War doch nicht so gemeint
Was ich so gut finde: Die Hotelbar ist kein Schutzraum für Täter mehr. Früher hätte man in so einem Artikel nur gelesen, dass es ein „bekannter FDP“-Politiker gemacht haben soll. Die Frau hätte Beweise vorbringen müssen (und ihre eigene Aussage hätte dabei als Beweis natürlich nicht getaugt). Endlich traut sich eine – und die ganze Nation redet über den Täter. Das ermutigt auch andere Frauen, Ross und Reiter zu nennen: (Anmerkung von Fakeblog: der Link wurde erst mal entfernt, da ich mir nicht sicher bin, ob die dort geäusserten Vorwürfe tatsächlich stimmen)
Janina, ich habe deinen Link entfernt. Warum? Weil ich gerade einen Artikel jener Person fand, in dem sie das „Vorgefallene“ doch sehr stark relativiert. Ich finde es falsch, irgendwelche Behauptungen ins Netz zu stellen, die man nicht verifiziert hat. Wie auch immer die Übergriffe aussahen, davon kann ich mir kein Bild machen, das wissen nur die beiden beteiligten Personen.
Das mit Reiter und Ross nennen ist auf jeden Fall diskussionswürdig. Bevor man Reiter und Ross nennt sollte man sich definitiv sicher sein, dass das Veröffentlichte auch der Wahrheit entspricht. Dies kann nur die Betroffene sagen und diese veröffentlichte heute den Artikel Falsch verstanden.
Ich find‘, fefe hat total recht: die ganze Sache hat prima von Merkels Killerdrohnen abgelenkt. Armes doofes ADHS-Volk.
http://blog.fefe.de/?ts=aff85e2b
Lieber Floyd,
wahrscheinlich war auch Deine kleine Welt nicht so heil wie Du dachtest, jedenfalls nicht die Deiner Frau und der Frauen die Du gerne hast. Die haben nämlich alle ihren Teil an Belästigungen ab bekommen. :-) nicht böse sein, aber ich glaube daß das wirklich so stimmt.
@ daMax
Mag sein, dass die Presse da instrumentalisiert um abzulenken, der Aufschrei der Frauen aber lenkt nicht von Drohnen ab sondern ist ein Spiegel der täglichen Realität der überfällig ist und nie verstummen sollte. Belästigungen sind aller Frauen täglich Brot und sollten nicht hin genommen werden. Leider sind viele von uns so konditioniert dass wir uns durch die Belästigungen beschämt oder sogar mitschuldig fühlen. Das öffentliche anprangern ist da einfach ein erster wichtiger Schritt.
Und da finde ich’s dann wieder schade dass Du mit Drohnen ankommst.
Anne
Anne, wir kennen doch den Max ;) Ich glaube der Kern der Diskussion ist absolut richtig. Ja, ich denke auch, dass es viele Frauen gibt, die aus ihrem Geschichtsbuch zum Thema genügend zu erzählen haben. Momentan wird die Debatte aber sehr klein klein geführt, ohne gewisse Punkte auseinanderzuhalten. Wenn man den Twitterstream verfolgte war da die Sprache von Vergewaltigung und jemand hat mir auf/in den Ausschnitt gesehen. Ich finde, dass man das auseinanderhalten sollte. Nichtsdestrototz finde ich die Debatte gut, denn alleine die menge der Reaktionen zeigt, dass es Diskussionsbedarf gibt. Und ja, als Mann bekommt man davon tatsächlich kaum was mit. Man(n) lacht vielleicht sogar manchmal darüber oder findet es witzig. Keine Ahnung. Ich versuche grundlegend immer erst mal Herzen zu sehen und keine Geschlechter.
Um was es mir im Artikel ging war die Ausgangsfrage, wie man von einer Talkshow wie „Jauch“ eine ernsthafte Diskussion erwarten kann. Muss man sich dann tatsächlich aufregen, dass da Menschen sitzen, die genau jenes klassische Bild zeigen, über das man sich echauffiert? Das ist eben das Medienspiel, das Essen fürs Volk. Brot und Spiele, irgendwie.