Individualisten unerwünscht – bin ich jetzt erwachsen oder nicht?

Floyd 18 Kommentare Gedankenfetzen, Menschenskinder

In letzter Zeit laufen ein paar wirre Gedanken durch meinen Kopf, die ich nicht wirklich gut organisiert bekomme. Und nein, es ist keine Midlife Crisis oder ähnliches, lediglich punktuelle Eindrücke, die ich gerne festhalten möchte. Wundert euch also nicht, wenn in diesen Eindrücken kein roter Faden zu erkennen ist.

Weinendes Kind: D. Sharon Pruitt / CC  BY 2.0
Weinendes Kind: D. Sharon Pruitt / CC BY 2.0

Verworrene Gedanken

Oft ist die Gerechtigkeit schon ungerecht. Was aber, wenn Gerechtigkeit von Anfang an ausgeschlossen wird? Jeder Mensch sollte zuerst sich selbst verpflichtet sein. Vielleicht lebe ich in meiner kleinen Traumwelt, die mir eine Vorstellung einer „besseren“ Welt überhaupt noch ermöglicht? Doch da fühle ich mich sehr wohl und doch frage ich mich, wie man z.B. Profit über alles stellen kann? In Jugendjahren dachte ich, dass sich Erwachsensein irgendwie anders anfühlt. Man hat die Menschen, die man liebt, um sich. Man führt ein „geregeltes“ Leben. Doch schon früh merkte ich, dass ich in einigen Ansichten nicht systemkonform handeln kann.

Die Kindheitsroboter

Man möchte Kinder gerne zu handlungsfähigen Menschen erziehen, damit sie später „auf eigenen Beinen stehen können“. Wörtlich genommen können das sehr viele Kinder bereits mit ein oder zwei Jahren. Die kleinen Menschen stehen mitten im Leben und dennoch nicht in der Welt der Erwachsenen. Andere Eltern möchten ihre Kinder „in die Welt entlassen“. Entlassen bedeutet dabei hoffentlich nicht, dass sie vorher in einer Art „Gefangenschaft“ leben mussten. Die Methodik der ausserelterlichen Erziehung ist zu einseitig, zu wenige überzeugte Individualisten sind erwünscht.

Schon früh spielt Geld eine wichtige Rolle. Sei es beim Pausenbrot in der Schule, den neuesten Klamotten oder Gadgets. Kinder erfahen schnell, sehr schnell, dass Geld eine nicht unwichtige Rolle spielt. Spätestens wenn die Eltern die betriebswirtschaftliche Bremse ziehen. Auch eine Familie ist nur ein kleiner Betrieb. Wer nicht mithalten kann ist in der „coolen“ Gruppe eben nicht dabei. Dies liegt mit Sicherheit nicht nur an der Art der ausserelterlichen Erziehung, sprich Kindergarten, Schule, etc. sondern ebenso stark im Bereich der Eltern.

Wenn Eltern bereits ihren vierjährigen Kindern ein iPhone schenken, damit diese vergnügt damit „spielen“ können, frage ich mich, ob in all dem irgendein Sinn liegt. Die Welt ist nicht schwarz oder gelb oder weiss, nein, sie ist bunt. Man muss differenzieren. Aber dieses Klassendenken, in das bereits die Kleinsten hineinwachsen, wird später nur schwer aufzubrechen sein. Um so wichtiger wäre es, die Individualisten zu fördern. Damit sind nicht die Egoisten gemeint, nein, unsere Schulbildung müsste sich stärker nach den Vorlieben der Kinder richten.

Alles ist gut: „Alles läuft nach Plan“

Sicherlich erinnert ihr euch noch an eure eigene Schulzeit. Unser geballtes Wissen wurde nach Plan gelehrt. Mein Neffe, der im September in die Schule kam, erzählte mir am Wochenende, dass bis zum Dezember alle Kinder lesen können müssen. MÜSSEN! Das sind 3 Monate und in der Klasse sitzen Kinder mit unterschiedlichster Vorbildung. Manche haben bereits mit vier Jahren die Lust an Buchstaben entdeckt, andere haben noch niemals einen Buchstaben gesehen, weil sie lieber draussen spielen gegangen sind.

Und nun? Die Eltern verteufeln? Kinder, die noch kein Interesse an Buchstaben zeigen, dafür aber vielleicht gerne Rechnen, lernen von da an, was es bedeutet eine „Schwäche“ zu haben. Anders zu sein. Nein, sie werden selten als gleichwertig angesehen, das entspricht nicht der Realität. Man versucht sie mit ausserschulischem Nachhilfeunterricht auf den Level der anderen Kinder zu hieven. Was dabei völlig in den Hintergrund tritt sind die Begabungen und Interessen des Kindes. Alles läuft nach Plan.

Das Leben bietet mehr – auch für Kinder

Was haben wir gelernt? Mathematik, Deutsch, Englisch, Französisch, Latein, Geografie, Biologie, Chemie, etc. Dies wird unser späteres Basiswissen, wovon wir nach der Berufswahl 3/4 wieder zu den Akten legen. Wer lernt den Kindern die soziale Kompetenz? Die Eltern. Wer debattiert mit den Kindern und hört ihnen einfach nur zu? Die Eltern. Wieso gibt es dieses Fach z.B. nicht in der Schule. Morgen, 4. Stunde, haben wir „soziale Kompetenz“. Wie immer man das Fach nennen mag, es fehlt. Ein Fach, in dem den Kindern auch in der Schule vermittelt wird, dass sie gute Menschen sind. So wie sie sind. Unabhängig vom Status der Eltern, etc. Ein Fach, in dem Kinder in ihrer Existenz angenommen werden, ohne kluge Ratschläge der Lehrer, ohne sie in ein gesellschaftliches Muster zu pressen. Wie viel Individualität verträgt unsere Gesellschaft?

Zurück zum Anfang: wie erwachsen bin ich denn nun?

Das habe ich mich sehr lange gefragt. Ich finde es schön, mit meinen Kindern Spaß zu haben, zu spielen, werde dabei vielleicht, nein sogar sehr sicher, wieder selbst ein Stück zum Kind. Im Berufsleben weiss man letztendlich, wie man sich zu verhalten hat, um es aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft weit zu bringen. Was aber, wenn einem das Spiegelbild wichtiger ist? Schliesst das eine das andere aus? In diesem Sinne fühle ich mich erwachsen genug zu sagen, dass mir mein persönliches Glück sehr viel bedeutet. Ebenso erwachsen fühle ich mich, wenn ich in Situationen einschreite, in denen sich Eltern über andere Kinder verächtlich äussern. Auf Äusserungen, wie „Was, der Bernhard kann noch nicht lesen? Der ist aber doch schon sechs“, reagiere ich entspannt mit einem „Finde ich gut. Bernhard hat sicherlich sehr viele Dinge, die ihn wirklich interessieren. Lesen gehört momentan eben nicht dazu.“ Wenn ich dann die Reaktionen einiger Eltern auf so eine Antwort sehe, dann würde ich mir wünschen, wieder ein Kind zu sein. Mich mit voller Inbrunst hinwerfen, mit den Fäusten auf den Boden zu schlagen und lauthals zu rufen: „Macht den Kindern doch lieber ehrlich Mut, als euch unehrlich hinter ihrem Rücken über sie zu belustigen. Das ist kindisch!“

P.S. Natürlich würden mich hierzu Meinungen von anderen Eltern interessieren. Wie geht es euch, welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Was ist euch wichtig?

18 Meinungen zu “Individualisten unerwünscht – bin ich jetzt erwachsen oder nicht?

  1. Na ja, wir entziehen uns dem in gewisser Weise durch die Schulwahl. Was natürlich bedeutet, dass man andere Leute trifft und andere Meinungen – aber das verlagert es natürlich auch nur, auch auf der Waldorfschule gibt es den Mainstream und den Status Quo und da passt du als Individuum auch immer nur so weit rein, wie dir das nach der Nase geht. Aber es geht ja eher um den Schuldruck, und der ist deutlich weniger und die Entwicklung der Kinder steht deutlich mehr im Vordergrund. Und am Ende können dann trotzdem alle lesen. In der Staatsschule gelten andere Regeln, und es mag nach Ätsche-Bätsche klingen, aber das weiß ich ja nun als Eltern auch vorher. Ich weiß, was gefordert ist. Also fördere ich mein Kind. Oder ich lasse es, was in der Regel dann die schlechtere Wahl ist und wohl eher die Is-mir-egal-Eltern machen. Entweder suche ich mir also von Anfang an eine Alternativschule oder versuche den Druck anders zu kompensieren. Wie das gelingen soll, ist mir nicht so ganz klar, aber ich kann es mir schwer vorstellen. In meiner Schulzeit war es nicht so leistungsorientiert.

    1. Da stimme ich dir in vielen Punkten zu. Ist es aber nicht das, was unsere Gesellschaft eigentlich im tiefsten Inneren spaltet? Waldorf-Schule, Montessori Schule, „normale“ Schule? Dies hängt in nicht geringem Maße von der finanziellen Situation der Eltern ab, oder? Sei es nun eine „private“ Schule oder eine „öffentliche“. Schwächen kann ein Kind immer haben und es sollte sie auch haben dürfen. Meine Gedanken waren vielleicht zu wirr hingeschrieben, aber ich frage mich, warum wir keine gesamt-gesellschaftliche Lösung finden. Sicherlich kennst du dann auch die Vorurteile, die gerade Waldorff Schulen von sehr vielen menschen entgegengebracht wird. Das ist auch schon wieder Teil dieses gesellschaftlichen Problems, das ich meine.

      Mir ist bewusst, dass Eltern eine hohe Verantwortung tragen, Entscheidungen bewusst treffen. Doch je nach Erziehung steckt in uns Erwachsenen, die gerade Kinder haben, eben noch ein „klassisches“ Verständnis von Schule oder ein „modernes“. Ich glaube das beschäftigt mich gerade auch.

  2. Du bist Teil des Systems. Ich bin Teil des Systems. Manchmal mag ich verzweifeln ob des Vernagelt seins mancher/einiger. Manchmal denke ich, dass ich „nicht dazu“ gehöre. Und doch: ich bin ein Teil davon. Ich kann den Grundkonsens ein Stück in meine Richtung schieben. Und ab und an gibt es ein kleines Lichtstrahlchen im dunklen Zimmer und die Mehrheit der in D lebenden befragten Personen haben gar nichts gegen die Gleichstellung aller Formen von Lebenspartnerschaft. Aber warum wählen die alle so wie sie wählen. Doch zum Verzweifeln?

    1. Das liegt einfach daran dass das System verkommen und korrupt ist und wohl auch in Zukunft sein wird.
      Immer dieses „rinn in die Organisation und von innen uffmischen“…das bringt gar nichts.
      Das beste Beispiel ist das was gerade in Island abläuft, dort wurde vom Volk mittels direkter Demokratie eine neue Verfassung geschrieben und verabschiedet, diese ist aber letztendlich am Parlament und seinen korrupten Politikern gescheitert.
      Link: http://www.verfassungsblog.de/de/putsch-icelands-crowd-sourced-constitution-killed-by-parliament/

      Alles was zu selbständigen, intelligenten und vor allem kritischen Menschen führen könnte wird im Kapitalismus konsequent unterbunden weil es sonst ja passieren könnte dass die Menschen in Frage stellen warum jährlich Millionen von Menschen verhungern müssen und andere wenige eigene Flugzeuge und zig Häuser besitzen.

      Alles in allem hilft da wohl nur eines, das System stürzen.
      Dafür geht es aber anscheinend noch zu vielen nicht schlecht genug und zu viele sind noch immer verblendet von der jahrelangen Propaganda dass Reichtum gefälligst das zu sein hat was wir erstreben sollen.

      50 Tonnen Flachs.
      Populäre Diskordische Folksvront PDF

      1. Naja.

        Ich geh nicht irgendwo rein und infiltriere oder so. Ich bin seit meiner Geburt ein Teil einer Gesellschaft. Was die Gesellschaft ausmacht sind nicht irgendwelche Führergestalten, die sagen wo’s lang gehen soll: daran glaube ich im Gegensatz zu Ihnen nicht.

        Das andere ist: die kapitalistische Maschine funktioniert wohl doch nicht so perfekt, denn einige kritische Geister gibt es. Sie treffen sich unter anderem hier. Einige davon sind sogar so kritisch, dass sie sogar den Gegenentwurfs-ismus nicht akzeptieren. Ich sehe und spüre eine Tendenz hin zum Individuellen (manchmal hedonistisch, aber das ist mMn Sache des Blickwinkels) und bin mir nicht sicher ob sich das wieder zu einer grauen Masse irgendeines -ismusses zurück drehen lässt. Ich hoffe nicht.

  3. Der Mittelweg, es ist immer der Mittelweg. Man soll Individualität fördern, das darf aber nicht ins Asoziale umschlagen. Man soll mit der Zeit gehen, aber in Maßen. Mein Kleinkind spielt bereits mit dem Pad als wäre es das Normalste der Welt, es kann YouTube aufmachen und die Favoriten in Form von Sesamstraße, Janosch und Pittiplatsch abspielen. Es wächst mit einer Technik auf, die seine Oma nicht mehr lernen wird. Und das ist gut. Auch ein Kind lebt nicht mehr auf dem Baum oder telefoniert mit der Kurbel. Trotz Technik wird natürlich viel gelesen, viel getobt, viel gespielt – mit dem guten alten Memory (auf Pappe, nicht auf dem Pad). Es ist eine Frage der Balance: Raus auf den Spielplatz UND später Videos schauen.

    Ein gesundes Selbstvertrauen gehört meines Erachtens auch zu den unbedingt zu vermittelnden Dingen, auch wenn viele das als nachrangig sehen. Wer das nicht lernt, wird in der Schule und spätestens im Beruf unter die Räder kommen. Ich kann nicht mit jemandem sozial sein, mit dem ich um die Besetzung einer Stelle konkurriere. Die kriege entweder ich oder der andere. Wer da immer zurücksteckt, aus dem wird nichts, weil er nie eine Stelle bekommt.
    Mit der Entwicklung eines gesunden Selbstvertrauens einher gehen muss allerdings auch immer das Vermitteln der unbedingt zum Selbstvertrauen korrespondierenden sozialen Werte: Denen helfen, die am Boden liegen, denen geben, die wenig/nichts haben, fair bleiben, sauber bleiben. Wer beides nicht gleichzeitig vermittelt bekommt, der wird wahrscheinlich Investmentbanker oder geht in die Politik. :-)

    Ich denke, dass in den meisten Kitas dieser gesunde Mittelweg gefunden wird und auch die meisten Eltern das intuitiv hinbekommen. Diejenigen, die eine tendeziöse Erziehung leben (schwarz/weiß), werden das bereuen und entweder einen nicht eigenständig überlebensfähigen oder einen charakter-/wertelosen Erwachsenen ernten.

    Noch ein Wort zu den Schulen, die du ansprachst. Du hast Recht, hier sehe ich genauso Defizite, erhebliche sogar. Ich wuchs fast ohne die schulische Vermittlung moralischer Werte auf, wenn man vom Zwangsreligionsunterricht mal absieht. Das haben zum Glück Mitschüler wettgemacht, an denen ich mich orientiert habe, aber das war nur Glück.

    Mir sind gerade die Schulen jenseits der Grundschule zu sehr auf den reinen ökonomischen Nutzen ausgelegt. Was bringt später was? Wer lernt am besten auswendig? Wer sagt am genauesten, was die herrschende Meinung hören will? Usw. Wenn man diesen Weg für sein Kind nicht gehen will, bleiben nur die ganzen alternativen Privatschulen übrig, an denen oft entweder die elitären Schnösel der Erbengeneration herangezogen werden oder die einer eigenen oft weltfremden Ideologie anhängen, die man im Sinne des Kindes immer hinterfragen sollte.

    So bleibt es oft an den Eltern hängen, ein gutes Role Model zu sein, denn das Glück, sozial engagierte Mitschüler zu haben, hat mit Sicherheit nicht jeder. Mit der Pubertät endet dann aber in der Regel der elterliche (und auch der schulische) Einfluss. Was bis dahin nicht verinnerlicht wurde, dürfte kaum noch seinen Teil zur Charakterbildung beitragen.

    1. Für den Komentar habe ich dich jetzt in die Blogrolle hier aufgenommen. Wollte ich sowieso schon lange machen. Du bringst es in vielen Aspekten genau auf den Punkt. Mit das wichtigste und die größte Aufgabe ist es wohl, seine Kinder stark und gleichzeitig einfühlsam zu machen. Ihnen Selbstvertrauen zu geben und sie gleichzeitig nicht zu eingebildeten Schnöseln werden zu lassen.

      Am besten bringst du allerdings eine meiner Befürchtungen auf den Punkt. Solange eine Schule nicht ebenfalls die Aufgabe übernimmt, moralische Werte zu vermitteln, solange muss man als Eltern wahrscheinlich auf das Glück hoffen, dass die eigenen Kinder einen geeigneten Freundeskreis finden. Dies hat man aber irgendwann als Eltern nicht unbedingt in der Hand. Das ist nur eine Vermutung, da meine Kinder noch zu klein dafür sind.

      Die Frage ist ja, wo diese Gemeinschaft verloren geht, denn im Kindergarten würde ich behaupten, sind die Kids gemeinsam stark und kommen alle gut miteinander klar. Deswegen vermute ich, dass es von den Eltern ausgehen muss, denn auch Kinder mit 7 oder 8 sind ja nicht von sich aus „unsozial“ eingestellt.

      1. „Mit das wichtigste und die größte Aufgabe ist es wohl, seine Kinder stark und gleichzeitig einfühlsam zu machen.“
        So ist es. Ich behaupte sogar, dass (echtes) Selbstvertrauen eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, um anderen wirklich helfen zu können ohne selber Schaden zu nehmen. Wenn keines da ist, kann man nicht Vorbild für andere sein. Wenn keines da ist, läuft man in Gefahr, auf andere herabzuschauen, weil man das eigene Gefühl der Wertlosigkeit kompensiert. Wenn keines da ist, kann es passieren, dass man mit runtergezogen wird und sich verliert. Usw. Der Spielarten für die Folgen von fehlendem oder falschem Selbstbewusstsein gibt es viele.

        Wo geht die Gemeinschaft verloren? fragst du. Ich denke, dass der Prozess in der Schule stattfindet (mit negativen Verstärkern aus dem Elternhaus natürlich) und zwar genau dann, wenn die ersten Konkurrenzsituationen entstehen, bei denen einige gewinnen und andere verlieren. Wer geht aufs Gymnasium? Wer fällt durch das Raster? Wer bleibt sitzen? Wer kriegt ein Bienchen? Wer einen (möglicherweise ungerechtfertigten) Verweis? Spätestens da ist es vorbei mit dem Gemeinsam-sind-wir-stark-Ding, weil dann gesiebt und sortiert wird. Nach Wertigkeit bzw. Noten. Ab da kommen zum erstenmal die Ellenbogen zu Einsatz und das Kind lernt in diesem Stadium offenbar allzu oft, dass so ein Verhalten belohnt wird und Vorteile bringt. Das vergiftet jeden Zusammenhalt.

        Was ist die Alternative? Waldorf? Nein, Waldorf ist nur das andere Extrem. Eine heile Welt ohne Noten dafür mit viel Watte und wenn die Absolventen dann in die krasse Berufswelt entlassen werden (sofern sie nicht einen bequemen Lebensweg erben), in der sie nach Nützlichkeit gesiebt und sortiert werden, fallen sie in ein Loch, weil man sie darauf nicht vorbereitet hat.

        Also auch hier wieder: Mittelweg. Selbstvertrauen fördern, Stark werden lassen, aber mit Moralkompass und Werten. Aber wie sieht der Mittelweg aus? Gesamtschulen? Mehr Förderung des Sozialen? Klingt gut, aber klappt das auch?

        Danke für das mit der Blogroll. Ich muss meine auch mal überarbeiten. :-)

  4. Ja so weit hat es die Politik getrieben. Der Mensch wird von Kindesbeinen an immer wohl behütet bis zur Bahre in kontrollierter Umgebung gehalten. Schon Kleinkinder sollen in die Ganztagskrippe, dann in die Vorschule um schließlich in die Ganztagsschule abgeschoben zu werden. Warum? Damit der Erwachsene schön Produktiv ist und auch immer schön konsumiert. Nach der Schule dann gleich in die Lehre oder ins Studium und dann in einen Vollzeitjob gerne auch mit Überstunden und am wochenende. Wenn man dann bis 67 gearbeitet hat ist man reif für das Altersheim. Na ? Geht ein Licht auf? Immer schön kontrolliert gehalten um die Produktion in Gang zu halten und den Konsum zu garantieren, Individualisten ade. Bin ich froh das ich als Kind nicht in den Kindergarten musste und das die Schule um eins aus war, da konnte ich meine Freizeit och selbst gestalten und mir ggf. Schrammen und Beulen holen, daraus lernt man!

  5. Ich picke mir mal nur einen Punkt heraus: „Soziale Kompetenz“. Damit steht und fällt ja auch das „Pausenbrotverhalten“, die Kleiderwahl bis hin zum Lernverhalten…

    Es bringt sicher viel, wenn man sich als Eltern einmischt (sofern man Zeit und Möglichkeit dazu hat), als Elternbeirat, in Projektgruppen, bei Patenschaften etc. Mit anderen Eltern zusammen etwas mit und für die Kinder bewegen, unabhängig davon, aus welchem Stall man kommt. Letztendlich muss man den Kindern soziale Kompetenz vorleben, das kann man nicht theoretisch vermitteln.

    Ein entsprechendes Fach dazu wurde in unserem Kindergarten/den Schulen nicht angeboten. Aber es gab zum Thema immer wieder Arbeitsgruppen, an denen Eltern mit eingebunden wurden. Oder eine zusätzliche Klassenlehrerstunde in der Grundschule, begleitet von einer Schulsozialarbeiterin. Oder eine Projektwoche zum Thema „Soziales Engagement“. Oder Workshops schulübergreifend mit der Förderschule, mit der Behindertenschule, mit dem Seniorenheim…

    Das verlangt engagierte Lehrer und Eltern, Vereine, die sich konstruktiv beteiligen, eine Schul- bzw. Stadtverwaltung, die Mittel und Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Viel Ehrenamt eben. Bei uns hat es bisher gut funktioniert.

  6. Viele Deiner Gedanken haben uns auch sehr beschäftigt.

    Ich glaube nicht, dass es nötig ist eine gesamtgesellschaftliche Lösung zu finden was die Schule betrifft. Im Gegenteil, es wird den Zeit, den „Markt“ hier zu öffnen und es alternativen Schulen leichter zu machen. Es ist soooo schwer in Deutschland eine alternative Schule zu eröffnen.
    Neulich hörte ich im Radio von – ich glaube es war – Schweden. Dort wird jede alternative Schule staatlich genauso gefördert wir eine staatliche Schule, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllt.
    Die Eltern entscheiden dann welche Schule sie für ihr Kind wünschen und das ist dann auch nicht an Schulgeld gekoppelt. Die Erfahrung dort zeigt vor allem, dass die staatlichen Schulen sich dadurch sehr verbessert haben, da sie mit kostenlosen alternativen Schulen in Konkurrenz treten müssen. Das finde ich ein sehr interessantes Modell.

    Uns hat ja auch bei der Schulwahl vor allem der Gedanke beschäftigt wie eine Schule sein muss, damit das Kind intakt bleibt, in seinem Selbstwert nicht beschädigt wird, Kind bleiben kann, eigene Interessen entwickeln und seine innere Bestimmung finden kann und es lehrt Teil einer Gemeinschaft zu sein.
    Wir sind sehr froh das Konzept freie demokratische Schule gefunden zu haben und fühlen, dass sich das oben genannte dort erfüllt. Eine Schule, in der das Kind ganz frei seine eigene Tätigkeit wählt, nicht bewertet wird und als Teil der demokratischen Schulversammlung ALLE Belange der Schule mitbestimmen kann – von der Personalauswahl bis hin zu den Dingen, die unterrichtet werden… Ach, ich bin sehr glücklich, denn ich denke, dort kann man unser Kind das werden, was seine innere Bestimmung ist…

    Anne

    1. Alternative Schulformen: wer sagt was gut ist was schlecht? Wer hat die Fähigkeit, sich hier zum TÜV aufzuschwingen?
      Noch dazu in einem Land, das seit 30 Jahren darüber streitet, ob und wenn ja wie die Schulformen zu reformieren wären. Was kam bisher dabei raus? G8. Mehr oder weniger überhastetes Einführen von Gesamtschulen.

      1. Ja eben! Aber genau das wird ja gerade in Reinform betrieben. Alle lernen das Gleiche und das Lernspektrum ist extrem begrenzt und staatlich zu 100% vorbestimmt.

        Im Kindergarten ist das ganze doch ganz gut geglückt: wenn Du allen Kindern offen stehst, egal welcher Herkunft, Religion oder Überzeugung, wenn du bestimmte räumliche Bedingungen und Anforderungen an die Qualifikation des Personals erfüllst und zudem die im Bildungsplanung beschriebenen Kompetenzbereiche abdeckst kannst Du in deiner Einrichtung so ziemlich alles machen was Du willst – Wald, montessori, Waldorf, Bauernhof, evangelisch, katholisch, you name it we have it. So könnte man das in der Schule durchaus machen.

        1. Ich mag dir zustimmen, ehrlich. Nur: du sagst es selbst: wenn die Rahmenbestimmungen stimmen. Um mal ein – aus meiner Sicht – böses Beispiel zu nehmen: eine christliche Freikirche wünscht eine Schule zu führen, in der Kreationismus gelehrt wird, Sexualkunde abgelehnt und alle jeden Morgen beten und ihre Sünden beichten _müssen_. Zulassen?

          Und überhaupt, die Rahmenbedingungen: welche wären das? Wer legt die fest? Die CDU?
          Es wird in so einem Umfeld immer welche geben, die die Grenzen austesten. Wenn ich sage, die Grenze ist, wo die Freiheit des anderen beginnt, dann verstehst du das. Und viele hier auch. Wir meinen wahrscheinlich auch weitgehend das gleiche. Aber schon bei meinem Nachbar bin ich mir sicher, dass er das nicht versteht.

          Da sind wir wieder an dem Punkt: „die Menschen, aka Gesellschaft, um uns rum.“ Von mir aus auch: „das System“.

          Also bleibt: den Gandhi machen und lächeln und aufstehen und lächeln und weiter laufen.
          Eine meiner Lieblingsmusiken singt: Und der lange Weg, der vor uns liegt,
          führt Schritt für Schritt ins Paradies.

          1. Ich sehe genau Deinen Punkt!

            Doch im Moment ist es ja keinen Deut anders: die Regierung bestimmt was gelernt und was nicht gelernt wird. Wegen mir dürfen die dann auch die Rahmenbedingungen für freie Schulen bestimmen – das würde zumindest alle mal mehr Vielfalt bedeuten als wir jetzt gerade haben.

            Da wäre es mir sogar lieber wenn dann auch ne freie evangelische Kirche ihre eigene Schule gründet als dass es ein so wahnsinnig eingeschränktes Spektrum gibt wie jetzt gerade. Letztlich entscheiden ja dann die Eltern ob sie eine Schule annehmen und ihre Kinder da hinschicken oder nicht. In den extremen Randbereichen des Spektrums bezweifle ich allerdings ob sich genug InteressentInnen finden, so dass sich das dann alleine durch die Nachfrage regelt.

          2. @Anneloewe …leider kein Antwortlink… Antworte ich mir halt selber.

            Nein, ich glaube nicht, dass der Markt das regelt. Aber es ist die gute alte Frage, wie tolerant darf/soll/will ich gegenüber denen sein, die intolerant sind oder es mir schwer machen, tolerant zu bleiben, oder meine Lebensumstände so verändern wollen, dass Toleranz nicht mehr möglich sein wird? Also, darf ich so intolerant sein, die zu unterdrücken, deren Ziel es ist, meine Toleranz auszunutzen um mir die Freiheit zu nehmen? Ab wann gilt nicht mehr: „was du nicht willst, dass man dir tu…“?
            Ich habe seit einem Vierteljahrhundert keine Antwort auf die Frage nach den Grenzen und was die Konsequenz für das „sonst“ sein soll.

  7. Dein Beitrag ist sehr lesenwert. Die Idee mit der „Sozialen Kompetenz“ als Schulfach empfinde ich zunächst als guter Ansatz, doch dann fällt mir Peter Hoeg ein. „Richten und bewerten … Wenn man lobt, dann richtet man auch. Und dann tut man etwas, das eine tiefe Wirkung hat.“

    Einfach dem Kind zu vermitteln „das dass was es tut OK ist“ wird wahrscheinlich schwer, da die Lehrer ihre eigenen Vorlieben und Abneigungen einfließen lassen würden. Zumindest wäre eine „Umschulung von Denkmustern“ bei den Lehreren selsbt notwendig finde ich.

    Ist man Erwacshen wenn man akzeptiert was man ist? Nun, das ist schwer zu sagen. Kinder akzeptieren sich ja in erster Line wie Sie sind. Demnach wären Sie ja „erwachsen“. Das Kinder sich nicht mehr akzeptieren fängt mit der Beschallung von Medien an. Wenn Sie meinen das neuste iPhone haben zu müssen, schon mit 9 Jahren Mädchen Diät halten usw. ist die Beschallung schon ziemlich weit durchgedrungen.

    Der Begriff Erwachsen bedeutet im Grunde, dass man seiner Pupertät (in deinem Fall quasi der Wandlung vom Kind zum Manne) abgeschlossen hat. Ist also mit 20-25 tatsächlich abgeschlossen, so dass man mit Sicherheit sagen kann 27+ ist Erwachsen.
    Was du meinst ist vielleicht nicht Erwachsen sondern „Frei“. Frei von Zwängen, Angelernten Denkmustern, Verpflichtungen usw.

    Auch hier fällt mir momentan wieder Peter Hoeg ein, der sagte „Erwachsen ist man erst, wenn man frei ist.“.
    Entschuldige, dass ich so oft Herr Hoeg zitiere – aber „die Frau und der Affe“ das ich gerade lese, passen irgendwie zu deinem Artikel. Finde ich.

  8. Kaum dass die Leute erwachsen sind, gründen sie eigene Familien, eigene Schutzräume, die unsere Gesellschaft an sich nicht (mehr) bietet, in denen sie wieder ein bisschen wie die Kinder sein dürfen. Den anderen wird auferlegt, glückliche Singles sein zu müssen, denn wir sind ja alle individuell zufrieden, solange wir so sind wie wir sein müssen.

    Wir haben alle mehr Freiheit, als wir denken, wenn wir uns von zwanghaften Normalitätsvorstellungen etwas lösen. Meine Hypothese: Da ja seit Jahren Dauerkrise ist (Wirtschaft, Banken, Euro, … was kommt als nächtes?) suchen die Menschen ihre Sicherheit in andere Strukturen. The Return of the Spießer.

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