Blöd, dass ausgerechnet die achte Dame keine Prostituierte war.
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Empathielose Medien-Spekulationen zum Germanwings Flugzeugunglück
Gestern ist unglaublich Schreckliches passiert. Ich möchte gar nicht auf das unendliche Leid eingehen. Und wer jetzt mit dem Vergleich der Sicherheit von Flügen im Vergleich zu anderen Transportmitteln kommt: Ok, darfst du. Es ist aber trotzdem nicht verboten, mitzutrauern, Empathie zu zeigen. Teilzuhaben.
Spekulation mit dem Leid
Über die Ursache des Absturzes ist nichts bekannt und gleichzeitig sendet ARD und ZDF ab mittags stundenlange „Extra“ Sendungen, die sich mit Wahrscheinlichkeiten und Spekulationen beschäftigen. Von der Bild Zeitung hat niemand ernsthaft etwas anderes erwartet, als dass bereits direkt vom Flughafen Düsseldorf weinende, trauernde Angehörige und Freunde gezeigt werden. Ein Foto der Anzeigetafel, auf dem der Flug noch gelistet ist, darf nicht fehlen. Noch dazu erdreistet sich die Bild in Person von Franz Josef Wagner einen überaus deplatzierten Brief an die Absturzopfer zu schreiben, der von lustigem Treiben am Gepäckband und netten Stewardessen erzählt. Am Ende schließt der Brief mit „Es ist so furchtbar. Ich will kein Wort mehr darüber schreiben.“ Mach das. Ist besser so.
Natürlich berufen sich alle auf ihre journalistische Tätigkeit und dass man sich an den journalistischen Kodex halte. Gerade bei der Bild Zeitung ist man sich keines journalistischen Fehlers bewusst. So schreibt Julian Reichelt, Chefredakteur bei bild.de, dass es ja schließlich kein journalistischer Fehler sei im Angesicht von Leid und Trauer Nachrichtenfotos zu zeigen:
Kai Diekmann, Chefredakteur der Bild, argumentiert nicht viel besser geht sogar noch einen Schritt weiter und argumentiert mit kindlicher Logik, frei nach dem Motto „wenn die anderen Medien Fotos von Angehörigen zeigen, dann dürfen wir das auch“. Diese Logik funktionierte bereits in der Kindheit selten, war aber in Anbetracht des Alters akzeptabel.
Der Medienkodex könnte helfen
Bei aller Sensationsgier möchte ich kurz einwerfen, dass es im Medienkodex auch einen Teil gibt, wie man Opfer und Angehörige schützen kann. Das könnte für viele Journalisten/Berichterstatter in der momentanen Ausnahmesituation interessant sein:
Richtlinie 8.2 – Opferschutz
Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.Richtlinie 8.3 – Kinder und Jugendliche
Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.Richtlinie 8.4 – Familienangehörige und Dritte
Bei Familienangehörigen und sonstigen durch die Veröffentlichung mittelbar Betroffenen, die mit dem eigentlichen Gegenstand der Berichterstattung nichts zu tun haben, sind Namensnennung und Fotoveröffentlichung in der Regel unzulässig.
Punkt 11 des Medienkodex beschäftigt sich im übrigen mit Sensationsberichterstattung und Jugendschutz. Dort heisst es:
Richtlinie 11.3 – Unglücksfälle und Katastrophen
Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden.
WAS ZUR HÖLLE IST LOS MIT EUCH?
Ihr zerrt Menschen vor Kameras, filmt sie ohne Einwilligung, macht nicht mal ihre Identität unkenntlich. Ich glaube ernsthaft, dass wir in einer Welt leben, in der ich mich immer stärker unwohl fühle. Macht doch mal die Kameras aus. Ich sage nicht, dass eure Arbeit unwichtig ist, aber zeigt doch etwas Anstand. Ok, ich verstehe, Anstand kreiert keine Einschaltquote. Anstand treibt keine Leserzahlen oder Abonnenten in die Höhe. Schade.
Die ARD versucht sich als verständnisvolle Sendeanstalt. Man versucht sich an „anständiger“ Berichterstattung. So veröffentlicht man auf Facebook diesen Post:
IN EIGENER SACHE: Liebe Nutzer, in den sozialen Kanälen von @ARDde wird es kein „Best Of Flugzeugabstürze“ geben und wir werden keine Bilder von trauernden Angehörigen teilen. Aktuelle Erkenntnisse zum Absturzhergang werden wir kommunizieren, sobald sie uns vorliegen.
Traurig, dass dies von einigen Usern sogar als lobenswert hervorgehoben wird. Man bedankt sich bei der Sendeanstalt und lobt das Verhalten. Ey, das ist für mich selbstverständlich. Was soll denn überhaupt ein „Best of“ im Zusammenhang mit Flugzeugabstürzen sein? Spielt man auf die privaten Sender an, die ständig die „Best of Betrunkene am Ballermann“ Sendungen zeigen? Möchte man sich damit qualitativ über die privaten Sender stellen?
Ein „Best of“ veröffentlichte die ARD tatsächlich nicht, dafür eine knapp 3-minütige Chronik schwerer Unfälle in der zivilen Luftfahrt. Verlinkt auf Twitter, nicht auf Facebook. Wortklauberei. Die „Chronik“, das ehrenhafte „Best of“ Format der ARD. Wollt ihr euren Lesern und Zuschauern den letzten Funken Verstand absprechen?
Chronik schwerer Unfälle in der zivilen Luftfahrt http://t.co/4RGf3Jv2IJ #Germanwings
— tagesschau (@tagesschau) 24. März 2015
In Wahrheit bewegen sich die öffentlich rechtlichen Sender auf ebenso dünnem Spekulationseis, wie alle anderen Berichterstattungen auch. Überall wimmelt es von Experten, die in Sekundenschnelle vor Kameras gekarrt wurden, um noch die kleinste Spekulation zu befeuern. Widerlich. Ihr macht eine Stadt zum Sinnbild der Trauer, weil ihr euren Zuschauern und Lesern ein Sinnbild geben wollt. Angereichert mit gewaltigen Worten wie „Eine Stadt taumelt…“ kreiert ihr Bilder in den Köpfen eurer Leser. Absichtlich. Wird das Leid so greifbarer? Muss es das überhaupt?
Eine Tageszeitung zeigt, was eine gute Zeitung anscheinend ausmacht: Eine Überschrift, bei der mir schlecht wird. „Austauschreise in den Tod“ steht da in großen Lettern. Wer schreibt so etwas? Was für Bilder entstehen denn bei so einer Überschrift in meinem Kopf? An was denkt ihr, wenn ihr so eine Überschrift lest? Vielleicht bin auch ich alleine das Problem?
Das Leid der Trauernden ist einigen von euch egal. @Reisebiene hat einen Screenshot veröffentlicht, der dies ganz gut verdeutlicht. Wie absurd.
Und ja, mit Sicherheit gibt es auch gute Beispiele. Berichterstattungen, die sich auf Fakten stützen und erst dann berichten, wenn es neue Informationen gibt, die keine spekulative Ebene bedienen. Diese Berichte unter allen anderen herauszufiltern ist nicht ganz so einfach. Denn mit stundenlangen Spekulationen wurden die Menschen gestern bereits den ganzen Tag gequält.
Ich wünsche mir, dass die betroffenen Familien, Freunde und Verwandte in Ruhe trauern dürfen, ohne dass sie von irgendwelchen Spekulationen oder Kamerateams belästigt werden. Das Leid ist für die Betroffenen ist mit Sicherheit groß genug.
Update 26.06.2015 – 8 Uhr
Tweets von Kai Diekmann und Julian Reichelt als Screenshots eingebunden. Verpixelung der Angehörigen.
Update 26.06.2015 – 8.30 Uhr
Weitere Beispiele für unpassende Berichterstattung finden sich im Beitrag des bildblog: Absturz des Journalismus.
Bild-Leser lachen über Feuer im Flüchtlingscamp
Gestern veröffentlichte die digitale Bild den Artikel „Feuer im Flüchtlingscamp“. Unter jedem Artikel erfragt Bild die Reaktionen der Leser. Das Ergebnis ist wenig überraschend, auch wenn ich nicht alle Menschen pauschal beurteilen möchte. Immerhin empfanden 58 Leser auch Wut. 173 andere Leser lachten darüber. Kacke, ey.
P.S. Die Reaktionen wurden inzwischen vom Artikel entfernt.
(via @LIVEyHEART)
Keine Überraschung: Domaininhaber von www.mit-merkel.de ist die Bild
Wer hätte anderes erwartet, die Bild hat sich die Domain mit-merkel.de geholt. Das ist alles kein Aufreger, aber trotzdem bekomme ich bei genau diesen Vorgängen immer eine abgrundtiefe Abneigung. Auf der Webseite stehen dann so tolle Sätze, wie:
Ich bin heute erst einmal hier, um zu sagen: Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten.
Angela Merkel 2011
Boah, das kann man sich doch echt alles nicht mehr mit anschauen oder anhören.
Tina Gaedt, die Bild Zeitung, ein mutmaßlicher Mord in Stuttgart und die Protestbewegung gegen Stuttgart 21
In Stuttgart kam es vor einigen Tagen zu einem mutmaßlichen Mord. Die Polizei vermutet, dass der 46-jährige Mann seine Freundin, 59 Jahre alt, ermordet hat. Bisher fehlt von der Frau jede Spur, der Mann wurde in der Schweiz tot aufgefunden. Die Polizei vermutet einen Suizid. Der Max hatte ja bereits darüber berichtet. Noch ist allerdings alles Spekulation, auch wenn es Indizien für einen Mord gibt. Jetzt kann man entweder „rational“ darüber berichten, wie z.B. die Stuttgarter Zeitung, die als Überschrift „Mann soll seine Lebensgefährtin getötet haben“ titelte.
Die Bild Zeitung
Tina Gaedt, die für die Bild Zeitung Stuttgart arbeitet, folgte der Blattlinie und bastelte aus einer Vermutung einen blutrünstigen Stuttgart 21 Killer, der jeden von der Politik verfolgten Egoshooter um ein Vielfaches übertrifft. „Der Killer aus dem S21 Baumhaus“ und viele weitere Plattitüden prasseln auf die geneigten Leser ein.
Die Steigerung der „Story“
Online hat die Bild zunächst von einem „Friedens-Aktivisten“ und einem Paar aus der „Esoterik-Szene“ berichtet. Da ich Bild aus Prinzip nicht verlinke, müsst ihr entweder die Suchmaschine eurer Wahl bedienen, oder mir vertrauen, was ich schreibe. Die ganze Geschichte wurde dann in Bildzeitung-Sensations-Lust weiter gesteigert. Von „S21 Aktivist tötet seine Freundin“ über „So brutal war der Killer zu seiner Freundin“, usw.
Ein Zusammenhang der keiner ist
Über die Wortwahl der Bild Zeitung muss ich kein Wort verlieren. Aus journalistischer Sicht ist es eine unterirdische „Leistung“, bei diesem wohlgemerkt immer noch mutmaßlichen Mord, einen Zusammenhang zwischen einer Protestszene und einem Paar herzustellen. So schafft es die Bild, dass die gesamte Protestbewegung eines Bahnhofs-Projektes auf einmal in einem kriminellen Umfeld dargestellt wird. Ich hoffe, dass die meisten Menschen schlau genug sind, diesem Axel Springer Bluff nicht aufzusitzen. Verantwortungsvoller Journalismus sieht anders aus. Und bitte kommt mir nicht mit „So ist die Bild Zeitung halt“. Das finde ich Bullshit, denn wie hat es Judith Holofernes von „Wir sind Helden“ damals so schön geschrieben:
Die BILD -Zeitung ist kein augenzwinkernd zu betrachtendes Trash -Kulturgut und kein harmloses “Guilty Pleasure” für wohlfrisierte Aufstreber, keine witzige soziale Referenz und kein Lifestyle -Zitat. Und schon gar nicht ist die Bild -Zeitung das, als was ihr sie verkaufen wollt: Hassgeliebtes, aber weitestgehend harmloses Inventar eines eigentlich viel schlaueren Deutschlands.
Die Bildzeitung ist ein gefährliches politisches Instrument – nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda.
Die eigentliche Tragik
Meine Empathie gehört den beiden an dieser Tragödie beteiligten Menschen. Inständig hoffe ich, dass Laya noch am Leben ist und ihre Verwandten und Freunde sie wieder in die Arme schliessen dürfen. Denn was bei all dem journalistischen Mist vor allem vergessen wird sind die Menschen. Es sind eben nicht nur Stories, reisserische Headlines, etc. Nein, dahinter stehen Menschen, die ein wenig mehr Respekt verdient haben, als es uns die Bild wieder einmal zeigt.
Ein ganz großer Tag: Mama und Papa gemalt
Dies ist ein ganz großer Tag für die Menschheit uns. Der kleine Steppke hat eines seiner ersten Bilder gemalt und uns daraufhin erklärt, dass auf dem Bild Mama und Papa zu sehen sind. Die Erklärung war fast überflüssig, denn ich finde die Ähnlichkeit so verblüffend, dass ich das Bild gerne für meinen Personalausweis verwenden würde;) Nur, wer ist jetzt Mama und wer Papa? Tipps können gerne in den Kommentaren abgegeben werden;)