Mit Kindern bei der Sehschule: ich sehe was, was du nicht siehst

Floyd Kommentieren Menschenskinder

Kind 1 und 2 sind zwei richtig tolle Menschen. Während Kind 1 immer alles sehr genau nimmt, am besten alles nach Plan laufen sollte und jede kleinste Abweichung mit einem kritischen Blick beäugt und beurteilt wird, ist Kind 2 doch eher der Quatsch-Typ. Das ist natürlich nur eine kurze Zusammenfassung.

sehtest

Gestern hatten beide Kinder einen Termin bei der Sehschule. „Frau Doktor“ macht da immer so tolle Tests. Zuerst war Kind 1 an der Reihe. Ein Haus, ein Rechteck, ein Kreis und ein Dreieck wurden in unterschiedlichen Größen und Anordnungen auf die Wand gebeamt. Kind 1 hatte keinerlei Probleme damit, alle Formen zu benennen. Aufgaben lösen macht Kind 1 richtig Spaß. Anschliessend kam noch der Kreis-Test. Kind 1 sollte sagen, an welcher Seite der Kreis offen ist, also oben, unten, links oder rechts. Alles prima, auch kein Problem. Alle Aufgaben mit Bravour bestanden. Nächstes Kind.

Während sich Kind 1 an der Seite auf einen Stuhl setzte, machte es sich Kind 2 bequem. Kind 2 ist noch etwas jünger, deshalb zeigte ihm „Frau Doktor“ auch nochmal ein Blatt mit dem Haus, dem Quadrat, usw. Als Kind 2 noch kein Auge abgeklebt hatte, konnte er auf dem Blatt alles richtig benennen. Haus, Quadrat, Kreis und Dreieck. „Frau Doktor“ ging also frohen Mutes etwas zurück und Kind 2 saß nun mit abgeklebtem Auge auf dem Stuhl. „Und, was siehst du?“, wollte sie wissen. Kind 2 nahm all seine Kreativität zusammen und sagte „Stachelige Blume“. Die Augenärztin nahm das so hin und vermutete, dass er beim nächsten Mal zum Haus wieder „Stachelige Blume“ sagte. Also merkte sie sich stachelige Blume.

Kind 1 saß währenddessen mit einem Lachanfall auf dem Stuhl an der Seite und wiederholte ständig „Kind 2 hat stachelige Blume gesagt, Kind 2 hat stachelige Blume gesagt“. Das spornte Kind 2 natürlich weiter an. „Frau Doktor“ frage also erneut: „Und was siehst du jetzt?“ Kind 2 entwich ein freundliches, aber doch sehr lautes „Toommaaattteee“. Kind 1 am Rand konnte sich vor Lachen nicht mehr halten. Die Augenärztin notierte sich also „Toommmaaatteee“, in der Hoffnung dass Kind 2 damit den Kreis meinte. So ging das eine ganze Zeit weiter, doch die Begriffe „Stachelige Blume“ und „Tomate“ wiederholten sich nicht. Stattdessen erfand Kind 2 immer neue Beschreibungen für das, was er gerade anscheinend gesehen hat.

„Frau Doktor“ ging zum zweiten Test über und zeigte Kind 2 nun ebenfalls die Ringe, die an einer Seite offen sind. Das Spiel begann erneut. „Kind 2, an welcher Seite ist der Kreis offen?“, fragte sie ihn höflich. Kind 2 deckte die Schwachstelle des Tests sofort auf, indem er mit „am Rand“ antwortete. Somit hatte er alle Kreise auf einmal gelöst. Nun wartete Kind 2 darauf, dass er sich aus der Geschenkekiste beim Arzt etwas aussuchen durfte. Schließlich hat er ja so toll mitgemacht. Stimmt, das hat er, auch wenn er dafür in die Tiefen der Kinderfantasiekiste greifen musste.

Kind 1 und 2 suchten sich beide etwas aus der Geschenkekiste aus und wir durften endlich gehen. Nicht jedoch, ohne das Pflaster, mit dem vorher das Auge abgeklebt war, auf den Arm zu kleben. Man ist ja so schlimm verwundet nach so einem Besuch bei der Sehschule.